Kultur

Ministerielle Einbestellungen, staatliche Disziplinierungen & Klarstellungen

Eine Anekdote aus dem RA-Alltag


Landesfahne - Symbolbild (Quelle: Pixabay)
Symbolbild - Gerichtliche Klärung
(Quelle: Pixabay)
GDN - Der Verfasser versucht im nachfolgenden Beitrag an einem Beispiel aus seiner Anwaltspraxis die Sinnhaftigkeit der Austragung unvermeidbarer Feden mit hoheitlichen Stellen zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit und der Durchsetzung der Bürgerrecht zu veranschaulichen.
In Bezug auf offenkundige Schieberei bei der Genehmigung einer Müllhalde wurde der Verfasser mit der Verteidigung von Äußerungen in einer Eingabe einer Bürgerin an ein Landratsamt beauftragt, welche der hierdurch angegriffene Deponiebetreiber gerichtlich untersagen lassen wollte. Letzterem wurde ein besonderes politisches Näheverhältnis zum örtlichen Landrat nachgesagt, wobei sogar Gerüchte hinsichtlich korrumtiven Praktiken, illegalen Giftmüllentsorgungen und dgl. mehr kolportiert wurden.
Ortansässige Anwälte haben “aus Angst“ (!?!) vor dem als “übermächtig“ bekannten Landrat die Mandatsübernahme abgelehnt, wobei es bei vorgängigen Verfahren vor dem Amtsgericht sogar zu “Strafversetzungen“ (!?!) von Richtern gekommen sein soll, welche es “gewagt“ hätten, gegen die Interessen des besagten Landrates und seines Günstlings, nämlich dem betreffenden Deponiebetreiber, zu entscheiden.

Nachdem es beim Ausgangsverfahren vor dem Landgericht ein an Härte kaum überbietbares Hauen und Stechen gegeben hatte, welches der Verfasser zu 90 % zugunsten seiner Klientin entscheiden hat können: Ging die Gegenseite vor dem Oberlandesgericht in Berufung.
Der dem Gegner und dessen Amigo auch politisch nahe stehende Gegen-Anwalt versuchte sich sodann im Wege von Telefonanrufen an den Verfasser heran zu machen, damit dieser mit einem außergerichtlichen Vergleichsabschluss einverstanden sein würde, durch welchen das Ausgangsurteil weitestgehend neutralisiert werden würde - bevor beim Oberlandesgericht darüber verhandelt würde. Selbstverständlich wurde das mit aller Entschiedenheit zurück gewiesen.

Zeitgleich erhielt der Verfasser von der einschlägigen Partei-Stiftung eine “Einladung“ zu einer Veranstaltung mit dem amtierenden Landesinnenminister, welcher als enger politischer Weggefährte des in Bezug zu besagten Berufungsverfahren de facto relevanten Landrats bekannt war.
Der Verfasser wurde sogar vom Sekretariat der “einladenden“ Partei-Stiftung, welche diejenige der Partei war, zu welcher der Landrat und der Landesinnenminister gehörten, eigens angerufen, um zu erfragen, ob er die betreffende “Einladung“ auch bekommen habe. Nachdem der Termin der einschlägigen Veranstaltung mit dem Landesinnenminister ohne einer Teilnahme des Unterfertigten verstrichen war, drückte das Sekretariat der Partei-Stiftung dem Verfasser in einem abermaligen Anruf ihr “Bedauern“ aus: Denn der Landesinnenminister hätte zu diesem Anlass gerne einmal mit dem Verfasser ein vertrauliches Gespräch geführt. Auch in Bezug zu dessen gegenwärtiger und zukünftiger Anwaltstätigkeit. Nun - ja. Was soll man dazu sagen?
Der Verfasser hat diesen “Hinweis“ als “Drohung“ aufgefasst und sich gegen dieselbe mit Nachdruck verwahrt: Unter Hinweis auf seinen Status als unabhängiges Organ der Rechtspflege und die damit einhergehenden Pflichten und Rechte.

Kurz darauf kam es zur Verhandlung in der Berufungsinstanz: Und der Vorsitzende Richter des Senats versuchte alles um den Verfasser maximal zu schikanieren und die Rechte dessen Mandantin zu negieren. Dem begegnete der Verfasser nach mehrfacher diplomatischer Intervention sodann mit der “gebotenen Härte“: Was auch in Wortwahl und Diktion Niederschlag fand.
Dies nahm der Vorsitzende Richter zum Anlass - nach Rücksprache mit dem OLG-Präsidenten - persönlich eine Beschwerde gegen den Verfasser bei der Rechtsanwaltskammer einzureichen: Mit dem expliziten Antrag, den Verfasser mit einem anwaltsgerichtlichen Verfahren zu überziehen. Ausdrücklich wurde dabei ausgeführt, dass der Verfasser als Anwalt der staatlichen Autorität zu forsch gegenüber trete - und daher “der Disziplinierung“ bedürfe. So, so“¦

Vom betreffenden OLG-Präsidenten war bekannt, dass auch dieser ausgerechnet der Partei angehörte, zu welcher auch der Landrat und der Landesinnenminister gehörten.
Die betreffende Beschwerde war nicht einfach an die Anwaltskammer gerichtet: Sondern explizit an deren Präsidenten. Von diesem war recherchierbar, dass er in lukrativen Bereichen Stamm-Anwalt staatlicher Mandate war, welche regelmäßig vom Landesinnenminister vergeben wurden. Von dem betreffenden Landesinnenminister - gemäß vorstehender Darlegung.

Der Verfasser beantragte daher eine Entscheidung durch den ganzen Kammer-Vorstand - anstatt durch den “befangenen“ Präsidenten, der sich als “Handlanger“ der hinter der Beschwerde stehenden Kreise geriere. Dem wurde entsprochen. Allerdings hat auch dieser Gesamtvorstand sodann entschieden, dass der Fall der Generalstaatsanwaltschaft am OLG übergeben würde:
Damit diese gegen den Verfasser Anklage zum Anwaltsgericht erheben solle.

Auf die von der Generalstaatsanwaltschaft sodann alsbald zugestellten “Anschuldigungsschrift“ erwiderte der Verfasser erst gar nicht - wie er auch der Landung zur Hauptverhandlung vor dem “Anwaltsgericht“ keine Folge leistete.

Insofern war es nicht überraschend, dass sodann eine in Abwesenheit erfolgte Verurteilung zugestellt wurde, welche definitiv jedweder Substanz entbehrte. Nichts anderes hatte der Verfasser erwartet. Gehörte doch der Landesjustizminister, der Generalstaatsanwalt und weite Teile der “Anwaltsrichter“ zu eben jener “staatstragenden“ Partei, wie schon der Landrat und der Landesinnenminister.
Der Verfasser erhob hiergegen postwendend Berufung: Und legte unter Offenlegung aller Verdachtsmomente auf eine politische motivierte Inszenierung des Verfahrens die äußerungsrechtliche Lage mit zahlreichen Fundstellen höchster Gerichte dar. Hierbei ging es auch darum, ob eine Äußerung die Menschenwürde tangiert und damit als Schmähkritik nicht mehr unter die Meinungsfreiheit fällt. Hier im Rahmen des gerichtlichen Kampf ums Recht - anstatt im politischen Wettbewerb. Denn nur dann liegt nach der Kasuistik des BVerfG und des BGH ein Verstoß gegen das berufsrechtliche “Sachlichkeitsgebot“ der Anwaltschaft vor.
Ohne dass die Menschenwürde des betroffenen Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht tangiert wurde, wurde der Verfasser ohne jeder Begründung wegen eines vermeintlichen Verstoßes gegen das “Sachlichkeitsgebot“ zu immerhin 3.000,- € Bußgeld verurteilt. Vom “Anwaltsgericht“.

Der Senat des Anwaltsgerichtshofs stellte in der Berufungsverhandlung sofort und unmissverständlich klar, dass sämtliche gerügten Äußerungen des Verfassers im Rahmen der Wahrung der mandatschaftlichen Rechte in einem Gerichtsverfahren eindeutig zulässig gewesen sind.
Der Verfasser erwidert hierauf lediglich, dass das “klar“ sei, er aber den Fall gerne vom BGH abschließend entschieden haben würde, um ein BGH-Urteil mit entsprechenden Tatsachenausführungen bei Parlamenten einreichen und über Medien verbreiten zu können.

Und siehe da: Wie aus der Pistole geschossen erklärte der Sitzungsvertreter der Generalstaatsanwaltschaft gegenüber dem Senat des Anwaltsgerichtshofs sein sofortiges Einverständnis mit der von diesem angebotenen Verfahrenseinstellung nach Paragraf 153 Strafprozessordnung. Also ohne Auflagen. Ohne Ahnung - sowieso. Und unter Wahrung der Unschuldsvermutung. Unter Verurteilung der Anwaltskammer unter die gesamte Kostenlast.
Unter Verurteilung der Anwaltskammer unter die gesamte Kostenlast. Mitsamt einer “Entschuldigung für das Ungemach“ - ausgesprochen durch den Vorsitzenden Richter des Senats am Anwaltsgerichtshof.

Der Verfasser war gleichwohl am hadern, ob er dieser Lösung wirklich zustimmen sollte. Eigentlich hätte ein Freispruch aus Rechtsgründen nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung Vorrang vor einer solchen “Lösung“. Nach längerer Diskussion wurde die Sache aber dann letztlich doch so erledigt.
Aber auch so hat sich der Verfasser dem Unrecht nicht gebeugt. Sämtlichen Beeinflussungs- und Nötigungsversuchen getrotzt. Und gegenüber dem Vorsitzenden Richter eines Senats für Äußerungsrecht (!) am OLG mit praktische der ganzen Landesjusitz im Rücken durchgesetzt - dass seine äußerungsrechtliche Bewertung die zutreffende war.

Und derartige Feden haben schon ihren Sinn: Denn diese Wahren die Rechtsstaatlichkeit und auch die Grundrechte. Gegen Staatsorgane welche diese Wertungen unzureichend befolgen, obschon diese hieran natürlich rechtlich gebunden sind. Insoweit werden diese “diszipliniert“. Was man in Ansehung der oben geschilderten Vorkommnisse ja auch für erforderlich halten wird müssen.
Abschließend wäre noch interessant, wer zu der Zeit dieser Geschehnisse in dem betreffenden Bundesland der Ministerpräsident war. Und zeitgleich der Vorsitzende der Partei, zu welcher die oben erwähnten Protagonisten alle gehörten. Verlautbaren lässt sich, dass dieser Politiker nun das Amt eines Bundesministers bekleidet, wobei er sich insoweit als Garant der Pressefreiheit und der Rechtsstaatlichkeit höchste Verdienste erworben hat. Und sich in Ansehung dieser Garantenstellung für Gespräche mit Journalisten insofern geradezu aufdrängt - aufdass auch diese denselben bei ihrer täglichen Arbeit als obersten Quasi-Dienstherrn zu schätzen lernen mögen.
Der Verfasser wird “Einladungen“ der oben erwähnten Art zu Zwecken einer ministeriellen Konditionierung seiner täglichen Arbeit zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte auch zukünftig nicht folgen. Und zur Sicherung seiner Unabhängigkeit als außer-staatliches Organ der Rechtspflege im Bedarfsfall den dornigen Weg eines formal-juristischen Schlagabtauschs auch im Bezugssystem von StPO-Verfahren beschreiten. Denn nur so kann man das Wertesystem des Grundgesetzes wahrhaftig verteidigen - wozu es ja die ganzen förmlichen Gerichtsverfahren nicht zuletzt seit 1949 gibt. Mit Wischi-Waschi kommt man da nicht weiter.
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